Entwicklung und soziale Umgebung

Die Entwicklungspsychologie ist eines der wesentlichen Wissenschaftsbereiche der Seelenkunde. Sie behandelt gesetzmäßige Veränderungen der Handelns- und Erlebensweisen und der Leistungen im Verlaufe des menschlichen Lebens. Weiterentwicklung wird hierbei als verschachtelter, progressiver Verlauf von Wechselwirkungen und Einflussfaktoren verstanden.

Die grundlegenden Bestimmungsgrößen der Realisierung sind die Anlage, die Umwelt und die jeweilige Selbststeuerung.

Die Wichtigkeit der genetischen Anlagekriterien wurde zu keiner Zeit bestritten, aber vor allem vormalig stark überbewertet. Entwicklung ist mehr als das blanke 'In Erscheinung-Treten' veranlagter Attribute.

Verschieden als beim Tier kommt in der Realisierung des Menschen dem Umwelt- bzw. Lernfaktor eine bedeutende Maßgeblichkeit zu. Die Soziale Umgebung hat unterdies mehr als allein eine lostretende Funktion:

Erst im Kontakt mit der Sozialen Umgebung können die bedeutendsten Ausrichtungshilfen des Menschen — Sprache, Gewissen, Interaktion- und Bindungsfähigkeit wie noch die Intelligenz — entfaltet und geformt werden.

Dass der Verformbarkeit vermöge der jeweiligen genetischen Veranlagung gewisse Beschränkungen gesetzt sind, konstatieren Untersuchungen über die Vitalität, die Einfühlsamkeit, die Intelligenz usw., welche deutlich machen, daß eine obere Begrenzung offenbar individuell durch Erbfaktoren existent ist.

So unverzichtbar das Zusammenwirken von Anlage und Soziale Umgebung auch ist, der Mensch ist keineswegs das Fabrikat aus diesen, stattdessen hat — entsprechend des Subjekts in unterschiedlicher Prägnanz — die Gelegenheit, sein 'Verwirklichungsschicksal' mitzugestalten.

Die selbststeuernden Tendenzen verkünden sich im Willen, sein Leben nach definitiven Zielen oder Plänen zu entwerfen, sich selbst zu realisieren, gewisse Lebensumstände zu steuern und nach eigenen Vorstellungen zu strukturieren.

Die Entwicklungsseelenkunde steht in einem ausgeprägten Informationsaustausch mit allen konstitutiven Wissenschaften vom Menschen:

Sie stützt sich auf Grundprinzipien der Vererbungslehre, der Anthropologie, der komparativen Verhaltensforschung und arbeitet zusammen mit der Allgemeinen, der Lern-, der Sozial- und anderen Fachbereichen der Psychologie. Ihre Forschungsresultate werden an erster Stelle der pädagogischen Psychologie und der psychologischen Beistandsarbeit zu Grunde gelegt.